Den Stromfressern auf der Spur
Den Stromfressern auf der Spur
Energiedetektive, Müllvermeidung, Klimakonferenzen: An Berliner Schulen gibt es viele Initiativen für mehr Nachhaltigkeit – nicht nur im Energiesparwinter
Von Achim Fehrenbach
Computer, Drucker, Lampen, Kühlschränke: Wenn die „Energiedetektive“ durchs Schulhaus ziehen, kommt vieles auf den Prüfstand. Die Schüler:innen nutzen Messgeräte, um Stromfresser aufzuspüren, und geben Tipps, wie man ganz praktisch Energie sparen kann – selbst wenn es um die Kaffeemaschine im Lehrerzimmer geht.
An der Friedensburg-Oberschule in Charlottenburg sind die „Energie- und Umweltdetektive“ eine Institution: Zu den Verdiensten der Schüler:innen-AG zählt unter anderem eine Solaranlage auf dem Schuldach. Die Schule selbst ist über Berlin hinaus vorne mit dabei, was Nachhaltigkeit und Umweltschutz angeht: Schon vor über zehn Jahren hat sie die Themen mit „berufsorientierten Projekten“ (BoP) in den Unterricht integriert. In den BoP-Gruppen lernen Schüler:innen naturwissenschaftliche Berufsbilder kennen, pflegen den Schulteich und die Hochbeete und nehmen auch an Nachhaltigkeitswettbewerben teil.
Im Sommer wurde die Schule für ihre „Energie- und Umweltdetektive“ als einer von deutschlandweit 16 „Energiesparmeistern“ ausgezeichnet. Zudem ist sie Teil des Netzwerks „Schule mit Weltblick“, das von der Robert-Bosch-Stiftung organisiert wird – und das Nachhaltigkeitsthemen aus globaler Perspektive vermitteln will.
Ein Dutzend Berliner Schulen sind bereits Teil von „Schule mit Weltblick“. Gefördert wird das Netzwerk von der Senatsbildungsverwaltung. Daneben gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Initiativen, die von der Senatsverwaltung unterstützt werden. „Wir wollen, dass Schulen ganzheitlich nachhaltig werden“, sagt Referent Harry Funk. „Die Schulen sollen nicht nur einzelne Projekte durchführen, sondern Nachhaltigkeit im Schulalltag und in den schulinternen Curricula verankern.“ Funk ist in der Bildungsverwaltung für Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsbildung an Berliner Schulen zuständig, er hat den Überblick über all die laufenden Projekte. Man unterstütze die Schulen auf vielen Ebenen, sagt Funk: Etwa durch Workshops, Beratung, eine „Klimazukunftskonferenz“ (siehe Kasten) und durch die Kooperation mit den „Scientists for Future“ – zum Beispiel bei der Erstellung von Unterrichtsmaterial.
Auf Außenstehende mag die Vielzahl an Berliner Initiativen und Wettbewerben zunächst etwas unübersichtlich wirken. Allerdings spiegelt das auch genau die Vielfalt wieder, mit der das Thema in den Schulen vorkommt. Zu den sichtbarsten Initiativen zählt die Auszeichnung als „Umweltschule“. Weltweit gibt es davon 60.000, in Berlin sind es mittlerweile 56. Das Label (voller Titel: „Umweltschule in Europa / internationale Nachhaltigkeitsschule“) wird jährlich von der Senatsbildungsverwaltung in Kooperation mit der BSR, der Gasag, der Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin und der BUNDjugend verliehen. Um sich für die Auszeichnung zu bewerben, müssen Schulen mindestens zwei Nachhaltigkeitsprojekte pro Jahr nachweisen: Damit zeigen sie, dass sie sich weiterentwickeln.
„Dazu kommen noch viele andere Kriterien“, erläutert Funk. „Zum Beispiel die Beteiligung der Schüler:innen, außerschulische Kooperationspartner, Öffentlichkeitsarbeit und eine schrittweise Verankerung von Nachhaltigkeitsbildung im Schulleben.“ Verliehen wird das Label dann von einer 18-köpfigen Jury, die sich aus Vertretern von Nichtregierungsorganisationen, Projektpartnern und der Senatsverwaltung zusammensetzt. Für die Schulen ist die Auszeichnung natürlich eine Ehre – aber vor allem Motivation, den begonnenen Weg weiterzugehen.
Die Aktivitäten Berliner Schulen im Bereich „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) sind beeindruckend vielfältig. Sie reichen vom Schulgarten über Teiche, Hochbeete, Vogelhäuser und Insektenhotels bis hin zu Energiesparprojekten, Umweltscouts und Müllvermeidung. Das Carl-von-Ossietzky-Gymnasium in Pankow beispielsweise ist „leitungswasserfreundlich“: Statt plastikverpackte Getränke mit in die Schule zu bringen, können die Schüler:innen sich dort am Wasserhahn bedienen. Die Waldschule Spandau wiederum stellt ihre eigenen Schulmöbel her, während die Mühlenau-Grundschule in Steglitz halbjährlich eigene Klimakonferenzen veranstaltet. Das Carl-Friedrich-von-Siemens-Gymnasium in Spandau organisiert einen Weihnachtsmarkt für nachhaltige Produkte. Und beim „Frei Day“ vernetzen sich diverse Berliner Schulen für gemeinsame Umweltschutzaktionen, zum Beispiel Demos oder das Müllsammeln im Kiez.
Damit nicht genug: Neben den „Umweltschulen“ gibt es in Berlin auch Unesco-Schulen und „Faire Schulen“, die vom Zentrum für Globales Lernen prämiert werden. Großer Beliebtheit erfreut sich auch der Wettbewerb „Berliner Klima Schulen“, den das Land Berlin und die Gasag mehrmals pro Jahr ausschreiben. Prämiert werden Projekte, die zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel beitragen. Den Hauptpreis in der ersten von bisher drei Wettbewerbsrunden gewann die Klima-AG des Goethe-Gymnasiums Lichterfelde: Sie hatte in einer „Konferenz der Umwelt-AGs“ verschiedene Schulen aus Steglitz-Zehlendorf an einen Tisch gebracht.
Momentan läuft bei den „Berliner Klima Schulen“ ein Wettbewerb im Wettbewerb: Angesichts der Energiekrise soll das Special „Energiesparwinter“ Projekte anstoßen, die konkrete Einsparmöglichkeiten aufzeigen – sowohl an den Schulen selbst als auch zu Hause. Teilnahmeschluss für den „Energiesparwinter-Wettbewerb“ ist der 28. Februar – schon jetzt werden dafür eifrig Ideen geschmiedet.
Florian Kliche vom Unabhängigen Institut für Umweltfragen (UfU) ist einer von mehreren Expert:innen, die den Wettbewerbsteilnehmern beratend zur Seite stehen. „Wir geben den Schulen Hilfe zur Selbsthilfe“, sagt Kliche. So bietet das UfU Lehrerfortbildungen zu der Frage an, wie sich Energiesparen in den Unterricht integrieren lässt. „Wir geben Tipps, was man ganz konkret im Klassenraum machen kann“, erläutert Kliche. „Wie heize und lüfte ich richtig? Und was tue ich, wenn Probleme auftreten – zum Beispiel undichte Fenster oder fehlende Thermostatventile?“ Grundsätzlich, so Kliche, hätten Nachhaltigkeitsprojekte an Schulen eine enorme Bedeutung. Denn erstens seien Schulen mit die größten Energieverbraucher in öffentlicher Hand. „Und zweitens sind sie ein Bildungsort. Nachhaltiges, energie- und kostensparendes Verhalten kommt der Gesellschaft zugute – deshalb ist es wichtig, dass Schulen hier ihren Bildungsauftrag erfüllen.“
Dass das nicht trivial ist, betont der Leiter der Friedensburg-Oberschule, Sven Zimmerschied. „Als Schule muss man für Nachhaltigkeitsprojekte Zeiten und Räume schaffen“, sagt er. Rahmenlehrpläne und Prüfungsvorbereitung ließen dafür nicht viel Platz – und nicht jeder sei bereit, sich regelmäßig erst ab 18 Uhr mit solchen Projekten zu beschäftigen. An der Friedensburg-Oberschule stehen „berufsorientierte Projekte“ zu Nachhaltigkeit und Umweltschutz mit vier Wochenstunden im Curriculum. Weitere Säulen der Nachhaltigkeitsbildung sind AGs wie die „Energiedetektive“ und Projekte wie „Jugend forscht“. Man merkt Zimmerschied an, dass er gerne noch mehr machen würde. Dafür müssten die Lehrpläne aber schlichtweg freigeräumt werden, sagt der Schulleiter. „Da muss man Mut zur Lücke haben – und diese Lücke kann dann zum Beispiel durch Nachhaltigkeitsthemen gefüllt werden. Da muss ein großer Wurf her.“
Punktuelle Projekte wie die Plastikreduzierung in der Schulmensa seien natürlich ein Anfang, sagt Zimmerschied. „Das räumt dem Thema Nachhaltigkeit aber noch keinen ausreichend großen Raum ein.“ Das Bewusstsein für Umweltbelange müsse kontinuierlich gefördert werden, sagt der Schulleiter: „Erst seit etwa drei Jahren verfolgen wir das Ziel, dass sich alle Schüler:innen auch außerhalb des Unterrichts mit dem Thema auseinandersetzen – nicht nur die, die ohnehin Interesse daran haben.“ Ein Beispiel dafür ist der Umwelttag, den Schüler:innen und Lehrkräfte der Friedensburg-Oberschule zum Ende jedes Schuljahres organisieren. „Engagement muss man erst lernen“, sagt Zimmerschied.
Von Achim Fehrenbach, 23.11.2022
Financial Times
Die Financial Times schreibt im Januar 2023, Seite 10:
"But at a school in Berlin, teacher Michael Böker believes that behaviours are changing and could remain entrenched as children, already attuned to the onset of climate change from social media, take notice.
“Energy saving is always a good idea to save the planet and it’s not that way only because of the energy crisis at the moment,” he says.
Böker has run an after-school programme on energy savings for several years at the Friedensburg-Oberschule, but says this year more children signed up for it than normal: “It might be a little bit more in the brains of the children. It is a moment.”
Students have gone around measuring the power output of 20-year-old projectors and requesting their teachers replace them with newer, more efficient ones. Böker also lets them take the power meters home to show their parents. For some families, it is the first time they have thought about energy savings, the science teacher adds.
“The children in school will be a little bit worried about [climate change] but they also see that everyone is driving a car as normal, everyone is flying as normal and the adults don’t want to change their habits. It is something they are keen to discuss,” he says. “It is their future.” "
https://www.ft.com/content/6e08003e-5de0-4707-93c3-43b64480443e
Übersetzung:
„Aber an einer Schule in Berlin glaubt Lehrer Michael Böker, dass sich Verhaltensweisen ändern und verwurzelt bleiben könnten, wenn Kinder, die bereits über soziale Medien auf den Beginn des Klimawandels eingestellt sind, dies bemerken.
„Energiesparen ist immer eine gute Idee, um den Planeten zu retten, und das nicht nur wegen der Energiekrise im Moment“, sagt er.
Böker führt an der Friedensburg-Oberschule seit einigen Jahren ein Energiespar-Programm durch, sagt aber, dass sich in diesem Jahr mehr Kinder dafür angemeldet haben als sonst: „In den Köpfen der Kinder darf es schon ein bisschen mehr sein. Es ist ein Momentum fürs Energiesparen und den Klimaschutz.“
Seine Schüler haben die Leistung von 20 Jahre alten Projektoren gemessen und ihre Lehrer gebeten, sie durch neuere, effizientere zu ersetzen. Böker lässt sie die Strommessgeräte auch mit nach Hause nehmen, um sie ihren Eltern zu zeigen. Für einige Familien ist es das erste Mal, dass sie über Energieeinsparungen nachdenken, fügt der Lehrer für Naturwissenschaften hinzu.“
Fachmagazin Zukunft Schule
Wir haben es mit unseren BNE-(Bildung für nachhaltige Entwicklung)-Aktivitäten wieder einmal von ein klassisches Print-Medium (Fachmagazin für zukunftsorientierte Schulkonzepte und Projekte) geschafft.
Ich habe mal die wesentlichen Seiten der Fachzeitschrift abfotografiert, die über uns (und über andere Schulen mit ähnlichen Aktivitäten) berichtet und die dazugehörige pdf kann man sich auch anschauen.
Wer Interesse hat, kann das Magazin auch gern bei mir ausleihen - dann bitte eine Mail schreiben: m.boeker@fosbe.de
Liebe Grüße
Michael Böker




